
„Nicht bis zu sieben Mal, sondern bis zu siebenundsiebzig Mal.“
Leider unterliegen dieser Tatsache viele, einerseits die göttliche Erwartungshaltung gar Menschen gegenüber, bedingt durch die Informationen, die man kennt, die Wahrheit, Realität an sich. Es zeugt auch die maßlose Selbstverfehleinschätzung, ja selbst des menschlichen Kollektivs, die in der Bibel dann doch wieder so kräftig dennoch zum Ausdruck kommt: Wieviel mal sollte man vergeben? Und die Dreieinigkeit beantwortet jene Frage mit den Worten, egal welchen Alters, egal welcher Tatsache sogar: Matthäus 18:21 “Dann kam Petrus und wollte wissen: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich gesündigt hat? Bis zu 7 Mal?“ Jesus antwortete: „Ich sage dir: Nicht bis zu 7 Mal, sondern bis zu 77 Mal. Ich hoffe, dass hier jeder von uns die Einsicht hat, wie wichtig die Formel ist: Nicht vergessen, aber eben vergeben können.
„Nicht bis zu sieben Mal, sondern bis zu siebenundsiebzig Mal.“
Diese eindringlichen Worte Jesu aus Matthäus 18:22 gelten als eine der tiefgründigsten Botschaften des Neuen Testaments. Sie erinnern uns daran, dass Vergebung kein begrenztes Gut ist, sondern eine Haltung, ein Weg, eine Kraft – und letztlich ein Zeichen wahrer göttlicher Nähe. Doch was bedeutet es wirklich, zu vergeben? Und wo liegt die Grenze?
In einer Welt, die zunehmend von Misstrauen, Spaltung und Verbitterung geprägt ist, scheint Vergebung fast wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Dabei ist sie aktueller denn je. Der göttliche Maßstab ist hoch – ja, für viele scheint er fast unerreichbar. Dennoch ist es gerade diese Erwartung, die uns herausfordert, über unser eigenes Ego hinauszuwachsen.
Denn Vergebung bedeutet nicht, Unrecht gutzuheißen. Sie bedeutet auch nicht, blind zu vertrauen oder sich ausnutzen zu lassen. Vergebung ist vielmehr ein Akt der geistigen Reife. Sie setzt Wissen voraus – und die Entscheidung, sich nicht vom Groll, sondern von der Wahrheit und Liebe leiten zu lassen.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass gerade der Mensch – der fehlbarste unter den Geschöpfen – oft am härtesten richtet. Die Bibel ist voll von Beispielen, in denen Menschen meinen, über andere urteilen zu können, während sie selbst verfehlen. Und doch stellt sie unermüdlich den Weg zur Umkehr offen.
Die kollektive Selbstüberschätzung, besser zu wissen, was gerecht sei, führt oft in die Irre. Doch anstatt in Scham zu verharren, lädt das Evangelium uns ein, umzudenken. Zu vergeben – sich selbst, anderen, der Welt. Aber auch: wachsam zu bleiben.
Hier liegt die vielleicht wichtigste Lektion:
Vergebung ist nicht Vergessen.
Wirkliche Vergebung erkennt das Geschehene an – mit all seinem Schmerz, seiner Tiefe, seinen Folgen. Sie bedeutet: Ich erinnere mich, und dennoch entscheide ich mich für Frieden.
Diese Haltung erfordert Mut. Und sie schützt vor Selbstzerstörung. Denn wer nicht vergeben kann, wird irgendwann vom eigenen Groll aufgefressen. Doch wer zu schnell, zu leicht, zu oft vergibt – ohne echte Reue, ohne Lernbereitschaft der anderen Seite – begibt sich in Gefahr.
Vergebung ist kein Freibrief für Wiederholungstäter. Es ist keine Einladung, die Güte Gottes auszunutzen. Wer systematisch verletzt, manipuliert oder zerstört, kann nicht auf ewige Nachsicht pochen. Vergebung muss dort Halt machen, wo sie zur Abhängigkeit oder Selbstaufgabe wird.
Hier mahnt auch Jesus zur Klugheit. In Matthäus 10:16 spricht er:
„Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“
Ein Herz, das vergibt, darf dennoch Grenzen setzen. Und manchmal ist die größte Form der Liebe, dem anderen Konsequenzen zuzumuten – in der Hoffnung, dass dies zur Einsicht führt.
Vergebung ist eines der stärksten Werkzeuge, die uns Menschen gegeben wurden. Sie heilt Beziehungen, Seelen, sogar ganze Nationen. Doch sie braucht Tiefe, Einsicht, Wahrhaftigkeit. Nur dann wird sie zu einer Brücke – zwischen Himmel und Erde, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Vergib – aber erkenne.
Lieb – aber schau hin.
Glaube – aber wach auf.
Und verliere nie aus dem Blick:
„Der Geist, den wir nicht dämpfen sollen“ (1. Thessalonicher 5:19), lebt auch in der Wahrheit, die befreit.






